Bericht Kanada 2. Tag Fahrrad-Odyssee -   29.07.2003 | 19:41
Vancouver: Eine kleine Grossstadt an der Westküste Kanadas und wir zwei Landeier mittendrin. Was nun?
Eigentlich müssten wir jetzt eine der berühmten Sightseeingtouren in den noch berühmteren roten, zweistöckigen Bussen mit einer adrett gekleideten Studentin in einem höchst adretten deutsch reservieren. Und gleich im Anschluss eine ebenso aussergewöhnliche wie individuelle Kaffeefahrt auf einem Radschaufeldampfer mitnehmen; Nicht mit uns!
Eigeninitiative und Kreativität sind gefragt. Durch einen erstklassigen Insidertipp unserer ersten Gastgeberin sind wir auf das Rad gekommen.
Gleich beim ersten Morgengrauen leihen wir uns beim zweitbesten Fahrradverleih nicht gerade der deutschen Strassenverkehrseinheitsnorm entsprechenden Mountainbikes. Voller Elan und Tatendrang strampeln wir nun im vorgeschriebenen Fussgängertempo sogleich um den „Stanley-Stadtpark“, welcher uns die Geschichte Vancouvers näherzubringen versucht.
Zwei Stunden später ist unser Durst nach feinsäuberlich angelegten Parkanlagen gestillt, doch das reicht uns noch lange nicht: Wir folgen dem Ruf der Wildniss!
Durch den Menschendschungel Chinatowns über die gottverlassenen Kaianlagen der Frachtschiffverladeanlagen und die für Fahrräder gesperrte „Workersbridge“ mitten in den „Lynnvalley Park“ hinein.
Was sich uns anfangs als seichter Gebirgsbachpfad präsentiert, entpuppt sich allzubald als Alptraum für jeden Flachlandtiroler: Der für Fahrradfahrer nicht empfohlene, kluftige „Lynnvalley Trail“ handelt uns erst amüsante, dann mitleidvolle Blicke der uns entgegenkommenden, trainierten „Hochalpinenkletterrer“ ein.
Nach schier unendlichlangem Geschiebe und Gezerre über Wurzel, Stock und Stein hören wir bereits unser Etappenziel klar und deutlich.
Ein Blick in die Tiefen der schräg unter uns liegenden Schlucht signalisiert uns die Tortur würde sich nach einer Downhillsturzfahrt lohnen!
Halbwegs unversehrt im Canyon angekommen, offenbahrt sich vor uns ein glasklarer Gebirgsbach, der sich abwechselnd mit Stromschnellen und Untiefen in einen türkisfarbenen Pool den Berg hinab ergiesst. Wie die Wilden reissen wir uns die Klamotten vom Leib und springen Hals über Kopf in den zwei Meter tiefen Pool.
Doch die Einsicht kommt sogleich, als die Eiseskälte von 5 Grad des erquickenden Nasses von den Füssen durch den Körper in den Kopf schiesst: Wie gestochen schwimmen wir poolauf, poolab um nicht vor Kälte abzusaufen. Genug!
Schnell kriechen wir auf die heissen Ufersteine und wärmen uns wie Eidechsen in der milden Nachmittagssonne.
Vollkommen unmotiviert raffen wir uns aus dieser Idylle wieder auf und treten den zweistündigen Rückweg mit geschulteren Rädern an: Fluss durchquert, Berg hinauf, Berg hinab, Nordstadt adee, Hängebrücke passiert, „Stanley Park“ durchschnitten, Downtown überlebt, Hosteltreppe erklommen, geduscht und ab ins Bett.
Doch irgenetwas fehlt, lautstark rumorend reisst uns nach einer Stunde unser nunmehr auf rosinengrösse geschrumpfter Magen aus den Betten.
Dank des flachen Portmonais fällt die Entscheidung leicht den Benzinkocher rauszukramen und uns spagettikochend in eine kleine Seitenstrasse zu verkriechen. Kaum nachdem alle Kochutensilien in voller Aktion sind, erscheint auch schon eine halbwegsaufgebrachte Kanadierin die uns in der Dämmerung für fixende Junkies bei der Heroinbrutzelei hält. Beim zweiten Blick verzieht sich ihre Mine jedoch zu einem breiten Grinsen, als sie unsere wahren Absichten erkennt. Fünf Minuten später kommt sie strahlend wieder um uns Kekse und Getränke anzubieten. Kaum in Ruhe gelassen, taucht sie auch schon ein zweites Mal wieder auf. Nun bewaffnet mit einer grossen Schüssel Salat. Beim dritten Mal ist es für sie nicht mehr zu ertragen. Sie packt uns samt Spagetti und Salat ein und setz uns an einen üppig gedeckten Tisch in ihr Haus. Nach schier endlosen Erzählungen über Gott und die Welt, entlässt sie uns endlich aus ihrer Gewalt und wir sind heilfroh mit kugelrunden Plautzen in unsere Betten zu fallen.... News Familie Stegemann 30.07. - 02.08. -   30.07.2003 | 19:45
Der erste Teil unserer Weltreise fuehrte uns durch Kanadas Westen, die Provinz British Columbia. Getreu unserm Motto "Zu Gast bei Deutschen Auswanderern in aller Welt" hatten wir gleich in der ersten Woche das grosse Glueck die Familien der Geschwister Stegemann kennenlernen zu duerfen. Deren familiengeschichtliche Auswanderung verlief wie folgt:

Zur Zeit des "Kalten Krieges" entschied sich Frau Sophie Stegemann mit ihrer Tochter Eleonore und ihrem Sohn Friedrich-Karl 1974 nach Kanada zu ziehen, um dort weit weg von der drohenden Gefahr eines moeglichen Krieges mit der Sowjetunion ein zweite Existenz zu schaffen.
Der erste Besuch Kanadas 1972 ueberzeugte. Eine "Cattle Ranch" wurde gefunden und so konnte der Umzug zwei Jahre spaeter starten. Damals erregte der Umzug sehr viel Aufsehen und war selbst in den Medien praesent. Familie Stegmann siedelte nicht per Schiff aus, sondern per Flugzeug. Besonders schwierig gestaltete sich hierbei der Transport der Pferde, die nun auf der Kanadischen Ranch ihr neues Zuhause haben sollten.
Nachdem sich die Familie Stegemann nach einiger Zeit eingerichtet hatte und die Arbeit auf der Farm aufnahm, stellte Frau Sophie Stegemann mit Erschrecken fest, dass die "Cattle Ranch" aufgrund einer besonders dreissten Bilanzfaelschung der letzten drei Jahre vor Kauf nicht laenger zu halten war.
Die Farm wurde verkauft und eine neue gefunden. Dort verlagerte sich der Schwerpunkt von der Vieh- auf die Pferdezucht und die Dressurausbildung von eigenen Pferden. Dies gefiehl der Tochter Eleonore so gut, dass sie 1983 mit der Reiter- und Pferdeausbildung fuer Junioren begann, um diese fuer grosse Turniere vorzubereiten. Sie selbst trainierte weiterhin sehr hart und bildete ihre eigenen Pferde bis zum Grand Prix Niveau aus. Der Preis fuer die Teilnahme an Dressurwettkaempfen fuer Kanada war die Aufgabe ihrer Deutschen Staatsbuergerschaft. Eleonore heiratete1974 den Kanadier Robert Elstone. Zusammen haben sie eine fuenfjaehrige Tochter, Ashleigh, die Eleonore zweisprachig grossziehen will.
Im Gegensatz zu seiner Schwester entschied sich Friedrich-Karl seine doppellte Staatsangehoerigkeit beizubehalten, da er sich als Deutscher in Kanada sieht und sich dauerhaft ein Leben teilweise in Kanada und Deutschland vorstellen kann aufgrund seiner starken Bindung zu Deutschland. Seinen beiden Kindern Arthur (7) und Stephanie (4) hat er durch die beibehaltene Deutsche Staatsangehoerigkeit die Moeglichkeit gegeben, sich selber zu entscheiden ob sie eines Tages in Kanada, im "Ewigen Wilden Westen", wie er es selber nennt, oder in Deutschland leben wollen.
Bevor Friedrich-Karl seinen heutigen Job als "Financierer" aufnahm, uebernahm er 1981 ein kleines Spezialtransportunternehmen in Kamloops, welches er mit einem Teilhaber zu einer sehr erfolgreichen Firma ausbaute und dann 1993 verkaufte. Im Jahre 1994 heiratete Friedrich-Karl die Kanandierin Anne Collier. Zusammen mit ihr startete er 1999 eine Farmazieschule, die Apothekenhelfer und Krankenpfleger ausbildet.

Bis heute leben beide Geschwister in Britrish Columbia wo sie nun ihr Kanadisches "Home, Sweet Home" haben, Eleonore mit Mann und Tochter in Langley und Friedrich-Karl mit seiner Familie in Kamloops. Ihre Mutter, Frau Sophie Stegemann, starb am 23. Mai 2002 in Kamloops weitab von einem möglichen Konflickt mit der Sowjetunion. News  -