Sebastian Hecker 25.08. – 03.09. und 15.09. – 17.09. -   07.11.2003 | 18:59

1,95 m gross. Haarfarbe: hellblond. Augenfarbe: stahlblau. Staatsangehörigkeit: mexikanisch. Sebastian Hecker steht vor uns: „¡Bienvenidos a Mexico!“ Gestern sind wir in Mexiko-Stadt gelandet, wurden vom Chauffeur Paco am Flughafen abgeholt und sicher in unsere Unterkunft, eine von Sebastians Stadtwohnungen gefahren. Heute sehen wir uns zum ersten Mal, nicht zu Hause, sondern im Büro seiner Schifffahrtsagentur „Navemar“. Vor vier Jahren übernahm Sebastian die von seinem Vater 1961 in Mexiko-Stadt gegründete Firma. Bis es allerdings soweit sein sollte, mussten einige Umwege in Kauf genommen werden.
Geboren 1972 in Mexiko-Stadt verbrachte Sebastian dort seine Kindergarten- und Grundschulzeit auf der deutschen Alexander-von Humboldt-Schule. Mit Beginn der 5. Klasse kam es zur Trennung seiner Eltern und Sebastian zog zusammen mit seiner Mutter in ihre Heimatstadt München und besuchte das Internat „Stein“ in Bayern, in der Nähe des Chiemsees. Dort blieb er in der 11. Klasse hängen und wurde von seiner Mutter zurück nach München geholt, wo er auf dem „Isargymnasium“ schliesslich sein Abitur machte. Erfolgreich drückte sich Sebastian vor der Wehrdienstzeit in Deutschland, Dank seiner doppelten Staatsangehörigkeit aufgrund des Zusatzes: Lebensmittelpunkt Mexiko-Stadt. Auch der mexikanische Wehrdienst konnte ihm nicht viel anhaben, da er eine „Bola Blanca“, eine „Weisse Kugel“ zog: vom Wehrdienst befreit.
Nach dem Abitur zog er in die Heimatstadt seines Vaters nach Hamburg, wo er eine Lehre als Schifffahrtskaufmann absolvierte. Dann arbeitete er für verschiedene Schifffahrtslinien jeweils eineinhalb Jahre in Singapur und Sydney bevor er mit 27 Jahren wieder zurück in seine Geburtsstadt Mexiko-Stadt zog.

Nach eineinhalb Wochen Mexiko-Stadt und eineinhalb Wochen Halbinsel Yukatan treffen wir uns erneut. Dieses Mal in Playa del Carmen, einem Badeort an der Ostküste Mexikos mit weißem Karibiksandstrand anlässlich des Nationalfeiertages von Mexiko und der Eröffnung von Sebastians Bar „Puro Bueno“.
Diese Bar soll nur der Anfang von seinem neuen Projekt sein, nänlich ins Nachtleben von Playa del Carmen einzusteigen.
Ganz anders sein Vater, der sich allein auf die Schifffahrt konzentrierte. Vollwaise großgeworden bei seinen Großeltern, erhielt Rudolf Hecker 1957 mit 20 Jahren ein „One-Way-Ticket“ für ein Kreuzfahrtschiff nach Amerika „um etwas aus sich zu machen“. Er landete in New Orleans, wo er als Representant den Grossrederer Otto Stinnes vertrat. 1960 bekam er von ihm das Angebot eine selbstständige Agentur in Mexiko-Stadt zu gründen, was ein Jahr später Realität werden sollte. Auf einer geschäftlichen Cocktailparty in Mexiko-Stadt lernte er 1970 Ingrid Vollmer, seine zukünftige Frau kennen. Sie war seit 1967 in Mexiko-Stadt für „Ferrostahl“ tätig.

Jetzt stehen Sebastian und wir im Terminal 2 vom Flughafen von Cancun, um uns in zwei verschiedene Richtungen auf den Weg zu machen, Sebastian nach Mexiko-Stadt und wir nach La Habanna. Ein letztes Geheimnis verrät uns Sebastian „der Mexikaner“ wie er von seinen Freunden genannt wird, bevor er uns mit: „¡que les vaya bien!“ verabschiedet: Ja, er sei Mexikaner mit dem Herzen, das stimme, aber seinen Deutschen Reisepass würde er niemals abgeben wollen, als letzte Sicherheit. News Teotihuacán 28.08. -   30.11.2003 | 14:22

Eine Ameise wirbelt durch die Luft. Ein letztes Zucken. Dann rührt sich der Grashüpfer nicht mehr und der Todeskampf ist vorbei. Ein letztes Mal kann man ihn als hellgrünen Grashüpfer erkennen, bevor er nun endgültig von einer wahren Flut von rubinroten Ameisen überschwemmt und völlig in seine Einzelteile zerissen wird. Kaum sind alle Stücke der Beute ins Loch gezerrt, stürmen die Ameisen schon auf den nächsten Grashüpfer zu, der sich in ihrem „Einzugsbereich“ verirrt zu haben scheint. Und wieder beginnt der Kampf von neuem: Der Grashüpfer mit seinen kräftigen, weiten und hohen Sprüngen gegen die messerscharfen Ameisenmundwerkzeuge. Doch zu spät, die Ameisen sind zu zahlreich und scheinen Lust am Töten gefunden zu haben und ... Was hat das denn jetzt bitteschön mit den von der UNESCO geschützten Teotihuacán-Pyramiden zu tun? Grosses Fragezeichen. Nichts und eigentlich doch viel.
Wir, Florentin und Friedrich und die Ameisen und Grashüpfer befinden uns nämlich mitten auf dem Gelände der drei Pyramiden von Teotihuacán. Nachdem die Tolteken im 5. Jahrhundert die Pyramiden der Schlange, der Sonne und des Mondes errichtet hatten, gab es auch hier schon Opfer. Allerdings nicht, um den Hunger eines Volkes zu stillen, denn die Tolteken waren nicht so kriegerisch wie die gerade beobachteten Ameisen. Nein, die Religion war es, die ihre Opfer forderte.
Viele Altäre gab es hierfür nicht zur Auswahl. Drei Pyramiden, drei Altäre, alles sehr überschaubar, wie überhaupt die ganze Anlage. Trotzdem haben wir uns recht viel Zeit genommen, alles genau zu erkunden und die Zeit war auch nötig. Nachdem wir uns die UNESCO-Plakette angesehen und eine Geländekarte studiert haben, wollen wir nun in die dritte Dimension, in die Höhe einsteigen.
Am Eingang 1 begonnen, führt kein Weg an der kleinen Schlangenpyramide vorbei, die nur ein paar Schlangenköpfe zu bieten hat, welche die Archäologen schon freigelegt und restauriert haben. Aber wir entdecken oben auf der Pyramide etwas viel Interessanteres, nämlich die Sonnenpyramide, die der Sonne wirklich ein ganzes Stück näher ist, als die Schlangenpyramide.
Also schnell wieder runter und rüber zur höchsten der drei Pyramiden. Als wir am Fusse der Sonnenpyramide stehen, sehen wir hinauf und amüsieren uns über die Aufstiegsversuche anderer Besucher. Sportlich und ehrgeizig stürmen wir der Sonne entgegen. Oben angekommen, müssen aber auch wir der Lunge Tribut zollen und uns einige Minuten ausruhen. Wir genießen den Ausblick, der lediglich von einigen Betonbauten in der Ferne gestört wird und können es kaum erwarten die letzte Pyramide für heute zu erklimmen. Wir kraxeln hinunter und begeben uns zur Pyramide des Mondes. Auf dem Weg dorthin, der Opferstraße oder der Straße des Todes, wie sie genannt wurde, kommen wir uns beinahe selbst fast wie Opfer vor.
Es sind zwar keine Priester der Tolteken, die uns auf den nächsten Altar zerren wollen oder Ameisen, die uns in Stücke reißen, sondern es ist die Sonne, die jetzt erbarmungslos auf uns niederbrennt. Unsere Wasserflaschen sind fast leer. Wir schleppen uns vor die Mondpyramide, holen noch einmal tief Luft und stapfen hinauf, um ein letztes Mal für heute auf die Anlage hinunter zu blicken und imaginär die Touristen zu beherrschen, die sich jetzt gerade auf dem “Weg des Todes“ befinden, die mordenden Ameisen missachtend. News Zocalo – Centro Historico de Mexico 27. - 29.08. -   07.11.2003 | 18:58

Wie auf einer Senfte werden wir hin- und herschaukelnd vom roten „Turibus“ durch die Allstadtstrassenschluchten des antiken Zentrums von Mexiko-Stadt getragen. Wir sitzen im oberen Stockwerk und sind den alten Gebäuden im Kolonialstil fast zum Anfassen nah. Unter uns tobt das Strassenleben, viele kleine Stände mit mexikanischen Marktschreiergestalten preisen ihre Waren an, Autofahrer hupen anstatt zu blinken, in den Rückspiegel zu schauen oder zu bremsen.
Gleich ist die Strasse „Madero“ zu Ende und wir befinden uns auf einem der größten Innenstadtplätze der Welt, der „Plaza de la Constitucion“, wie uns die Stimme in 8 verschiedenen Sprachen in unseren Kopfhöreren verspricht. Es ist in der Tat ein riesiger Platz auf dem eine noch riesigere Nationalflagge weht. Der Platz ist eingerahmt vom nationalen Parlament, dem Rathaus der Stadtregierung, der Kathedrale, dem Templo Major und einigen Hotels und Restaurants.
Der Bus hält. Wir steigen aus. Diese Gegend muss man zu Fuss erkunden. Da wir genug gesehen haben von Kolonialstilhäusern und –palästen, begeben wir uns jetzt auf die Spuren der ältesten Gebäude, den alten Tempelanlagen der Azteken mitten in der Innestadt.
Als der Aztekenhäuptling Tenoch im Jahr 1321 mitten auf einem See einen auf einem Kaktus sitzend eine Schlange fressenden Adler –übrigens das heutige Staatswappen Mexikos- gesehen haben will, stand für ihn fest, hier sollte 1325 die Stadt Tenochtitlan mit Hilfe von künstlichen Inseln entstehen.
Das mit der Stadt sahen die Spanier 196 Jahre später ähnlich. Allerdings waren sie der Meinung, dass man auf dem See eine viel schönere Stadt, nämlich eine im Kolonialstil errichten könnte. Sie zerstörten Tenochtitlan kurzerhand bis auf einige Ruinen, die man erst 1900 zufällig bei Kanalbauarbeiten wiederentdecken würde.
Da sich der ausgegrabene Tempel im „Erdgeschoss“ der Stadt befindet, muss man sich, um die Tempelanlage sehen zu können, nach unten bewegen. Wie wir nun so durch die Ruinen laufen, kommen wir uns vor wie wilde Tiere im Zoo, die in einem tiefergelegten Bereich ihr Dasein fristen und von Besuchern neugierig begafft werden. Denn ringsum die Anlage befindet sich ein Zaun und die Menschen, die sich um die Tempelanlage herum bewegen, sehen nun auf uns herab.
Als wir aus dem Templo Major wieder herausklettern und uns dem höchsten Gebäude am Platze, der vom Einsturz bedrohten Kathedrale widmen wollen, lernen wir eine ganz neue Bedeutung des Wortes „Moctezumas Rache“ kennen, der eigentliche Inbegriff für Durchfallerkrankungen. Nachdem die Spanier den Aztekenhäuptling besiegt, die Tempelanlage zerstört und den See zugeschüttet hatten, war ihnen nicht ganz bewusst, dass all die neuen Kolonialstilgebäude irgendwann einmal absacken oder einstürzen würden.
So rächt sich Moctezuma II heutzutage nicht nur an Touristen oder weishäutigen Ausländern mit Durchfall, sondern egalisiert die Zerstörung der Stadt Tenochtitlan mit der teuren Restaurierung vieler vom Einsturz bedrohten Gebäude. Selbst die Wiederentdeckung und der Wiederaufbau des Templo Majors können ihn bis heute nicht besänftigen. News Puebla 03.09. -   07.11.2003 | 18:46

VW begrüsst uns in der historischen Allstadt von Puebla. Sich zu verlaufen ist quasi unmöglich, denn sobald Pueblas grösster Arbeitgeber und Sponsor der Allstadt an den Strassenschildern in Form von kleinen blau-weissen Zeichen fehlt, hat man den auserkorenen Bereich der UNESCO verlassen.
Die Strassen sind voll, und übervoll mit Touristen und Andekenläden, die sich –wir staunen- auf Wecker spezialisiert zu haben scheinen. Und zwar diese penetrannte Spezies von Weckern, die man am liebsten gleich beim ersten bibibip, bibibip, bibibip auf dem Nachttisch erschlagen könnte.
Bibibip, bibibip, bibibip wir hören noch andere vertraute Geräusche. Amerikanisches Englisch, Französisch, Holländisch, Schweizerdütsch und Deutsch scheinen das heimische Spanisch zu verdrängen, sobald man Kirchen, Klosteranlagen und Museen betritt. Es gibt ein riesiges sprachliches Durcheinander, denn jeder Besucherführer präsentiert sich in Bestform, der Akzent ist „fast“ nicht mehr zu hören.
Wer hätte das gedacht: Das kleine 1532 gegründete Städchen Puebla als Gastgeber der Nationen. Dass wir jetzt natürlich als Touristen unterwegs sind, lässt sich nicht mehr leugnen.
Wir ziehen weiter in die Innenstadt hinein und sehen uns die vielversprechenden Kirchen und Kirchenleben an. Als Europäer muss man sich allerdings sehr an die lateinamerikanische Heiligenverehrung gewöhnen: Knallige Neonlichtinterpretationen der Heiligen Dreifaltigkeit und mit Danksagungen und Wünschen behängte Heiligenstatuen sind keine Seltenheit.
Als wir wieder das Tageslicht erblicken und uns flanierend durch die Strassen und Gassen auf den Weg zum „Zocalo“ machen, merken wir nicht, wie sich hinter uns dunkeles Unheil zusammenbraut.
Der „Zocalo“ zeigt sich von seiner grünsten Seite und auf der Platzmitte befindet sich ein Brunnen, an dem sich die gerade aus der Schule kommenden Uniform tragenden Schülerhorden laben. Wir trauen uns nicht so recht, das erfrischende Nass zu uns zu nehmen, man weiss ja nie ...
Kawumm! Ein ohrenbetaubender Donnerschlag geht auf Puebla nieder. In sekundenschnelle ergießt sich ein Platzregen über die gesamte Stadt. Wir fliehen in ein Cafe. Für eine halbe Stunde können wir uns jedoch nicht aus dem kleinen Räumchen von Cafe hinausbewegen: Der Regen steht wie eine undurchdringliche Wand vor uns.
Dann, mit einem Mal: Schluss. Die Sonne scheint wieder als ob nichts gewesen sei und es duftet überall nach auf heissem Asphalt verdampfenden Regen.
Das VW Zeichen auf dem Strassenschild vor uns weisst wie eh und je allen Unwissenden den Weg und glänzt wieder stolz ohne dass auch nur irgendwer mit dem Lappen nachpoliert hätte. News Palenque 08.09. -   30.11.2003 | 14:38

Über uns ziehen sie ihre Kreise, die ewigen Beschützer und Behüter der “Befestigten Häuser” von Palenque: Adler. Ob zur Enstehungszeit Anfang des 7. Jahrhunderts oder 799 zu dessen Niedergang, Palenque wird nicht mehr aus ihren scharfen Augen gelassen. Die Ruinen müssen aber auch höchst interessant aussehen aus solch einer Höhe betrachtet. Überall ist es hier grün. Urwald eben. Nur die von der Sonne angestrahlten sandsteinfarbenen Tempel stechen ins Auge.
Wir stehen am Parkeingang und studieren die Karte. 4 Stunden Zeit war die Vorgabe unseres Reiseveranstalters. Viel zu viel, denken wir uns. Wie sollen wir die Zeit nur herumkriegen? Wir entscheiden uns die Pyramidenanlage systematisch zu begehen, immer rechts herum, irgendwann in den nächsten 4 Stunden würden wir schon wieder am Parkeingang heraus kommen.
Schnell vorbei an den Touristenhochburgen, gelangen wir an einen abgelegen Pfad, dem wir neugierig folgen. Wir hören ein leichtes Rauschen, müssen aber das Blickfeld ganz unseren Füssen widmen, da es hier auf den alten Pfaden recht glitschig ist. Aufeinmal stop! Es geht nicht mehr weiter. Wir sind gegen ein schwarz-gelbes Flatterband gestoßen. Und dahinter sitzt auch schon einer der vielen “Restauratoren”, genüsslich kauend. Das Vertilgen seines Frühstückssnacks scheint ihn wohl noch bis in den Nachmittag zu beschäftigen.
Stolz erklärt er, dass für uns der Weg hier zu Ende sei. Hier würde gerade weiter ausgegraben. Staunend über soviel Tatendrang, sehen wir doch nicht einen einzigen Krumen Erde an seinem Spaten, wenden wir uns um und folgen dem
Rauschen eines Baches, der sich, wie wir später sehen, durch die ganze Anlage zieht. An frischem Wasser hat es hier also nie gemangelt. Hin und wieder ergießt sich der Bach in tiefe Becken, so dass selbst ausgiebiges Baden möglich war.
Weiter geht es auf unserem Rundlauf immer rechts um die Anlage herum. Wir kommen wieder an Tempeln und mit Touristen bevölkerten Pyramiden vorbei, schießen schnell die Standartfotos und machen uns wieder auf den Weg nach etwas Besonderem suchend. Das haben wir auch schon gleich gefunden: Neben dem Hauptpalast, der auf einer Plattform mit gigantischen Ausmaßen erbaut wurde ( 10 m hoch,100 m lang und 80 m breit), stehen auf der rechten Seite des Weges in uns sehr bekannt vorkommender Regelmäßigkeit mit Moos überwachsene Bänke hintereinander. Viele, viele breite Bänke und am Ende eine kurze Bank. Wir stehen an der Schule von Palenque.
Wer hat sich nicht während seiner Schulzeit immer schon gewünscht und vorgestellt, bei schönem Wetter unter freiem Himmel unterrichtet zu werden.
Hier war es Alltag.
Eine halbe der vier Stunden ist vergangen. Wir ziehen weiter, müssen uns unser nächstes Ziel erlaufen, da wir nicht wie die immer noch am Himmel kreisenden Adler eine Gesamtansicht von den “Befestigten Häusern” von Palenque haben. News Campeche 09.09. – 10.09. -   30.11.2003 | 14:33

Stockdunkle Nacht umgibt uns. Es ist Neumond. Ein Blick auf die phosphoreszierten Zeiger der Armbanduhr verrät uns die genaue Uhrzeit: viertel vor drei. Mit den Rucksäcken schwer beladen, stehen wir vor dem Busterminal von Campeche. Weit und breit kein Taxifahrer. Niemand. Wie Nachtfalter, immer dem Schein des Lichtes nach, irren wir in Richtung Altstadt auf der Suche nach einer Hotelleuchtreklame, die uns eine Herberge versprechen würde. Wir durchqueren ein in verschiedenen Farben lustig angestrahltes Stadttor. Die Innenstadt ist erreicht. Das Bild, das uns nun beschert wird, können wir kaum glauben. Eine endlos lange, goldgelbe Laternenbeleuchtung zieht sich die Straße entlang und wird von den blitzblanken Pflastersteinen widergespiegelt. Keine parkenden Autos, keine vergnügungssüchtigen Jugendlichen, keine laute Musik. Kurz: hier scheint die Welt noch in Ordnung zu sein.
Die Augen kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Klipp-Klapp fallen sie aber auch schon wieder zu. Stimmt, wir wollten doch ein Hotel suchen! Also wandeln wir schlaftrunken ein Straßenquadrat nach dem andern auf und ab, immer auf der Suche nach einer Hotelleuchtreklame. Nur noch eine Straße schwören wir uns, und dann nicht mehr weiter. Fehlanzeige. Alle Straßen sehen gleich aus, die Laternen immer auf gleicher Höhe, in gleichen Abständen vor den Häusern. Keine einzige Leuchtreklame, geschweige denn ein Hinweissschild gibt Aufschluss über eine Übernachtungsmöglichkeit. Wir laufen weiter mal rechts, mal links abbiegend. Doch da, auf einmal wird die Regelmäßigkeit der Laternen unterbrochen. Hoffnung macht sich breit. Tatsächlich, wir haben das beleuchtete, schachbrettartige Labyrinth der Innenstadt verlassen und stehen am “Parque Principal”. Wir lassen den Augen freien Lauf. Alles hell erleuchtet. In der Mitte steht ein Pavillon, an der Nordseite des Parks befinden sich, prachtvoll beleuchtet, die “Portales del Centro” und gegenüber sehen wir die Kathedrale, deren rechter Turm von einem weißen Licht angestrahlt wird. Wir reiben uns die Augen. War nicht vorhin der andere Kirchturm beleuchtet? Jetzt ist der linke beleuchtet, dann beide zusammen, dann wieder nur der rechte. Über diese faszinierende Ilumination haben wir wieder total vergessen, warum wir eigentlich hier stehen. Klipp-Klapp. Jetzt aber los, letzter Versuch. Wir laufen in Richtung eines anderen Lichts, auch wieder auf und ab blinkend, ... das haben wir doch vorhin schon einmal gesehen, oder? Halluzinationen?, fragen wir uns. Fast, denn nun stehen wir vor einem anderen Stadttor. Dieses Mal weist es zum Meer hin. Völlig übermüdet und schon ein bißchen wütend drehen wir uns noch einmal um. Wir schwören es, dies ist der allerletzte Versuch ein Plätzchen zum Schlafen zu finden. - Hey! Halt mal, ich glaube hier steht etwas mit H! - Im Schein einer Straßenlaterne können unsere kleingeschrumpften Augen das Wort “Hotel” entziffern. Unsere Entscheidung steht schon fest, egal wie teuer, wir würden es nehmen. Schnell klopfen wir an.
Ratsch! Eine Luke in der Tür öffnet sich und das hellwache Gesicht eines Nachtportiers blickt uns staunend an. Wir bitten um zwei Betten und werden hineingelassen. Auf unsere Frage, ob dies das einzige Hotel in der ganzen Innenstadt sei, guckt er uns verwundert an: Wie, Ihr wusstet nicht, dass Leuchtreklame in Campeche verboten ist? - Vielen Dank! Jetzt wissen wir es. News Chichen Itza 12.09. -   30.11.2003 | 14:40

Wir stehen in der Schlange zum Eingang von Chichen Itza und staunen nicht schlecht. Gleich zwei Mal wird für diese 435 von den Mayas gegründete, präkolumbianische Ruinenanlage Eintritt verlangt. Ein Teil geht, wie immer ins Staatssäckel von Präsident Fox. Der andere Teil geht an eine Firma, die sich ganz besonders der Anlage verschrieben zu haben scheint. Mit der Eintrittskarte vom Ministerium für Kultur in der linken Hand und um das rechte Handgelenk das „VIP-Band“ in hellgrün der sich der Pyramide angenommenen Firma, stehen wir jetzt schon wieder in der nächsten Schlange. Zwei „Eintrittskarten“, zwei Eintrittsbereiche. Alles hochkompliziert, aber wir sind jetzt drin.
Auf dem Weg zur 30 m hohen „Pyramide des Kukulcán“, leuchtet uns sehr schnell ein, warum der Eintritt so teuer war. Die ganze Anlage ist pikobello sauber und das Wegenetz ist wahrscheinlich besser ausgebaut als es jemals zur Zeit der Maya selbst war. Absolut tauglich für Massentourismus.
Als wir an der Pyramide angekommen sind und uns gerade dem Ballspielplatz widmen wollen, kommen wir uns vor wie nach einem großen Fußballspiel. Die Zuschauer, die „Fans“ der Anlage strömen an uns vorbei in Richtung Parkausgang. Und das alles nur weil es mit einem Mal angefangen hat zu regnen, ein schöner warmer Regen, finden wir. Furchtbar finden viele US Amerikaner, fast die einzigen Touristen hier und verlassen fluchtartig die Anlage. Wunderbar, alles für uns alleine.
Wir interpretieren den 91 x 36 m großen Ballspielplatz. An den jeweils gegenüberliegenden Längsseiten befindet sich ein in etwa 6 m Höhe angebrachter großer Steinring, nicht waagerecht wie beim Basketball, sondern senkrecht. Durch diesen Ring galt es nun für die zwei siebenköpfigen Mannschaften einen ballähnlichen Gegenstand zu befördern oder abzuwehren. Aber nicht zum Spaß oder um sich fitt zu halten, sondern alles unter Aufsicht des Volkes und besonders der Priester. Ein religiöser Akt eben.
Ausgeruht wurde sich im Dampfbad. Dank der hervorragenden Restauration gewinnt man sehr schnell einen klaren Einblick, wie die Maya hier geschwitzt haben müssen, allerdings nur bis zum Jahre 682, dann sind sie auch schon wieder aus Chichen Itza verschwunden.
Auf etwas vernachlässigten Wegen gelangen wir zum Marktplatz. Dessen 25 Säulen, wir haben dreimal nachgezählt und können uns die ungerade Anzahl in quadratischer Anordnung nicht erklären, sich schön gerade in den Himmel strecken. Hier verzehren wir den Rest unserer Sandwische und schmeißen den Restmüll brav in einen der vier Abfallkörbe, die wir auf Anhieb erkennen können.
Es hat aufgehört und wir begeben uns in Richtung Ausgang. Noch einmal stehen wir vor der „Pyramide des Kukulcán“. Der Himmel ist aufgerissen und die Sonne taucht die Pyramide in einem unwirklichen Weißgold erstrahlen. Was für ein Anblick.
In Chichen Itza muss man sich entscheiden, entweder US amerikanischer Massentourismus im Sonnenschein oder ruhige Erkundung im Regen. News  -